Wie dem auch sei. Ich bin gekommen, um zu loben, nicht zu lästern. Denn abgesehen von dem in meinen Augen etwas unglücklichen Titel ist Die Liebe in den Zeiten des Seiðr von Matthijs Holter und Jason Morningstar (@bullypulpit_hq) ein wirklich schönes Spiel. Mit wundervollen Illustrationen. Und auch auf Deutsch vorliegend (erraten, System Matters; übersetzt hat es Tina Trillitzsch [@apfeleimer]). Und mit schönem Layout von Natascha Safarik (@tintenfuchs). Im Englischen Original übrigens Love in the Time of Seið (ohne auslautendes -r: Warum? Fragt die Mediävist*innen).
So, und jetzt bin ich noch einmal faul, nachdem mir das im gestrigen Beitrag zu Witch: The Road to Lindisfarne so gut gefallen hat. Statt langer Regelerläuterungen verlinke ich einfach dieses 4-minütige Video, das einfach und gut bebildert die Regeln erklärt. Bequem, ich weiß, aber hey: Es ist Freitag und außerdem schon der 28. September, ich habe schon so viele Einträge hinter mir, da sind ein paar Abkürzungshilfen ganz nett. Und es soll keiner behaupten, ich hätte Die Liebe in den Zeiten des Seiðr nur deshalb aufgenommen, weil es dazu dieses erklärbärige Video gibt... oder es bei System Matters erschienen ist. Oder ich inzwischen einen Teil der an der Veröffentlichung beteiligten Leute kennengelernt habe... es ist einfach ein schönes Spiel!
Also: Alter König schwach und sohnlos. Krieg mit den Nachbarn von Garðariki (noch so ein Frikativ). Um das Reich zu retten dann der Plan, die Königstochter an den Garðariki-Jarl zu verheiraten. Das war's auch schon an Vorgeschichte. Und wir wissen, dass so was selten unblutig ausgeht. Der Untertitel lautet dann auch ganz treffend: "Eine Blutoper". Die Figuren, die auf der Opernbühne stehen sind also in jeder Runde dieselben (wie auch bei Witch): König, Prinzessin, Ritter, Jarl, und die Seiðkona (jaja, Frikativ), das ist so eine Art Zauberin. Wieder einmal zeigt sich, dass ein festes Figurenensemble keine Einschränkung der rollenspielerischen Freiheit bedeuten muss, sondern oft das Gegenteil bewirkt. Das ist nicht unüblich für ein Spiel, dass primär über die Beziehungen gedacht ist und nicht über die Charaktere. Ich habe manchen Helden mit 20-seitiger Hintergrundgeschichte gesehen (einige meiner Tischrundenspieler*innen fühlen sich jetzt bestimmt angesprochen), die sich weitaus weniger gut ins Spiel eingefügt haben, als ein einfacher Du-Vater-ich-Tochter-Charakterentwurf. Individualität ist eben nicht alles beim Spielen.
Regeln: Das Phrasensystem gefällt mir sehr gut. Diese sind festgeschrieben und können jederzeit von den Spieler*innen eingeworfen werden, um die Szene zu steuern:
- Genauer! (S. 17) - Bitte, mehr Details hinzuzufügen.
- Dranbleiben! (S. 18) - Ein*e Spieler*in möchte die Szene zu früh beenden? Dann "Dranbleiben!" einwerfen.
- Anders machen! (S. 19) - Bitte um Korrektur einer Szene, wenn diese zu sehr im Ton vom Ernst abweicht.
- Ich will etwas einwerfen! (S. 20) - Fluff hinzufügen.
- Das könnte schwierig werden! (S. 21) - Verkomplizieren einer Szene.
- Ich brauche Aufklärung! (S. 22) - Bitte um Erklärung einer Szene.
Diese Phrasen werden später auch noch mal für die fünf Rollen einzeln aufgelistet (S. 32-41).
Die Ortskarten (S. 45-53) sind ein einfacher, aber mächtiger Spielmechanismus. Ebenso die Entscheidungskarten (S. 54-63). Die Regeln basieren also auf Matthijs' Archipelago III-Engine. Angepriesen wird es als "an endlessly replayable, mythic one-shot of sex and ambition" (hier). Der Gauntlet-Podcast spricht in seiner Folge #113 über Love in the Time of Seið und argumentiert, dass es eine Quickplay-Version von Archipelago III ist.
Ich konnte keine Actual Plays finden. Aber Gerrit Reininghaus hat zusammen mit einigen anderen Spieler*innen des Gauntlet (unter anderem mit Tina, der Übersetzerin) eine Variante des Spiels gespielt, Love in the Time of Khvareneh. Sie reden eingangs auch über die Unterschiede der beiden sehr ähnlichen Spiele. Hier sind die zwei Teile des Spiels:
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