Sonntag, 30. September 2018

#indieseptember Tag 29: "Swords Without Master" von Epidiah Ravachol (2014)

Der wichtigste Hinweis zuerst, weil die Frage immer gestellt wird: Das Spiel Swords Without Master von Epidiah Ravachol ist in der Zeitschrift Worlds Without Master 1.3 (März 2014): S. 14-45 abgedruckt (keine Sorge, ich habe die Frage selber einmal gestellt). Aufmerksam geworden bin ich auf das Spiel, weil Harald vom 3W6-Podcast eine Runde Swords Without Master auf der 3W6 Con 2018 angeboten hat. Die hat er letztlich nicht durchgeführt, weil er als Ausrichter der Con natürlich zu viel zu tun hatte. Aber immerhin habe ich die $3.99 investiert, mir die Ausgabe des Zines geholt und so meinen Weg zu Swords Without Master gefunden. Es ist ein ungewöhnliches kleines Spiel und erfreut sich im angelsächsischen Raum ungeheurer Beliebtheit. Hierzulande ist es wohl eher unbekannt, was allein schon seine Aufnahme in meine kleine #indieseptember-Reihe rechtfertigt.

Die SL heißt "Overplayer", die SCs sind sog. "Rogues". Das sind nicht direkt Diebe, sondern eher Outlaws im Sinne des Tudor-Aktes "for Punishment of Rogues, Vagabonds and Sturdy Beggars" so meine Vermutung. In drei Phasen wird das Spiel gespielt:
  • Phase der Gefahr (perilous phase)
  • Phase der Entdeckung (discovery phase)
  • Phase der Schurken (rogues' phase)
Soweit so normal. Was das Spiel besonders macht, ist einerseits, dass es wenig wert auf Regeln und viel Wert auf den Ton des Spiels legt. Andererseits, die Art und Weise der Charaktererschaffung. Statt einer langen Regelerläuterung (das machen die verlinkten APs viel besser), beschreibe ich hier nur die beiden Mechanismen, weil sie so ungewöhnlich sind. Fangen wir mit letzterem an:

Charaktererschaffung: Jede*r Spieler*in ist aufgefordert, ein sogenanntes Simulakrum an den Tisch zu bringen (vermutlich ist Epidiah zur Blütezeit von Poststrukturalismus und Dekonstruktion auf dem College gewesen). Dabei handelt es sich um einen beliebigen lebensweltlichen Gegenstand, ein Buch, ein Foto, eine CD, ein altes Küchenradio, einen Fahrradhelm, mein letztes Halloween-Kostüm... Dieses soll uns an den Rogue erinnern. Zum Beispiel könnte mich der Fahrradhelm daran erinnern, dass mein Rogue immer gut geschützt ist, man sieht ihn nie ohne Rüstung, Helm und Schild. Oder mein Küchenradio erinnert mich daran, dass mein Rogue für seinen Gesang bekannt ist, aber auch dafür, immer gut informiert zu sein (weil er die Nachrichten hört...). Die Rogues wählen frei ihre Namen. Und auch ihre Besitztümer, die sie nicht verlieren können (ja, richtig gelesen, Ihr Powergamer, deren Herzen jetzt höher schlagen, der Overplayer kann Euch Euer "Schwert der Unendlichen Macht" niemals wegnehmen). Dritter Schritt: Jeder Rogue denkt sich eine bedrohliche Situation aus und je einen Ausweg daraus; einmal in der Tonart "glum", einmal in Tonart "jovial" (dazu gleich mehr). Diese Heldentaten (feats heroic) können einmal im Spiel benutzt werden, um entgegen aller Würfelergebnisse doch noch zum Erfolg zu kommen. Abschließend: Ein einzigartiger Trick des Rogues, der aus einer Liste auszuwählen ist; etwa ein Ort (der Rogue darf bestimmen, dass die folgende Szene dort stattfindet) oder eine zusätzliche Heldentat usw. Rogue fertig!

Tonart: Der zweite große Clou an Swords Without Master ist die Tonart (tone). Es gibt zwei Tonarten, jeweils repräsentiert durch einen andersfarbigen Würfel. Glum und Jovial (also etwa: bedrückt, trostlos vs. fröhlich, heiter). Zu Beginn würfelt der Overplayer die zwei Würfel (je einen W6 für Glum/Jovial), der höhere entscheidet über die Tonart der Szene. Rogues würfeln auf gleiche Art: Das ist die Tonart für ihre Figur in der Szene. Die Tonart der Rogues kann durchaus im Kontrast stehen zur Tonart des Overplayer. Epidiah betont, dass die Tonarten frei interpretiert werden können und sollen; er nennt es "an exercise in personal interpretation" (S. 17). Seine Empfehlung ist aber, in einer Szene nicht das ganze Spektrum einer Tonart auszureizen, sondern sich auf einen ihrer Aspekte zu fokussieren, "and really hit on it" (ibid.). Mit Übertreibungen und Ausreizungen. "Don't be shy!"

Neben diesen beiden beachtlichen Mechanismen gibt es eine Reihe weiterer, ähnlich ausgefallener Regelmechanismen, die Swords Without Master zu einem besonderen Spiel machen, das sich, wie erwähnt, großer Beliebtheit erfreut: "Ties, Stymies, Mysteries & Escalations" (S. 18f.), "Threads" (S. 31f.), "Morals, Mysteries, Motifs" (S. 33), "Rituals" (S. 39) uvm. Das alles im Detail zu besprechen ist unsinnig, da das Regelwerk selbst kaum 30 Seiten lang ist und man es schnell durchgelesen hat. Auch die APs (siehe unten) helfen beim Verständnis dessen, was Swords Without Master macht und was es so besonders macht.

Hier kann man das Spiel auf DriveThruRPG kaufen (gut investierte $3.99).
Hier gibt es eine eigene Google+ Gruppe für das Spiel.

Es gibt einige Actual Plays, sowohl als Podcast als auch als Video auf YouTube. Einige davon sogar mit Epidiah selbst:
Actual Play von Swords Without Master mit Epidiah 

Actual Play mit Epidiah, Sean Nittner (@seannittner), Emily Care Boss (@emilycare) und anderen

Gauntlet-Con 2017

Es gibt so viele gute APs von diesem Spiel...

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