Mittwoch, 26. September 2018

#indieseptember Tag 24: "Scoundrel in the Deep" von Renato Ramonda und Flavio Mortarino (2014)

Zwar bin ich immer noch beruflich unterwegs, aber die Vollversammlungen auf Konferenzen sind ein geeigneter Ort, um mal abzuschalten und, beispielsweise während des Berichts der Schatzmeisterin, ein wenig an der #indieseptember-Reihe weiterzuschreiben. Here goes:
Das Spiel, das mir schon seit Wochen im Kopf rumschwirrt, und das ich daher gerne in diese Reihe aufnehmen möchte, ist Scoundrel in the Deep von Renato Ramonda (@renatoram) und Flavio Mortarino (@themagus), dass 2014 in Epidiah Ravachols Worlds Without Master (Vol. 1, Issue 6) erschienen ist. Die Veröffentlichung im Magazin deutet es bereits an, dass Scoundrel in the Deep ein Erzählspiel ist, dessen Regeln auf wenigen Seiten Platz finden. Und die Assoziation mit Epidiahs Arbeit lässt schon vermuten, dass es ein metaphorisches Requisit integriert (wie etwa der Dread-Turm oder das Simulakrum in Swords Without Master). Der Untertitel von Scoundrel verrät, um welche Art von Requisit es sich handelt (und ist gleichzeitig ein ziemlich guter Elevator Pitch): "A collaborative storytelling game for two adults, a matchbox and an ashtray." Scoundrel in the Deep ist also 'das Spiel mit den Streichhölzern', so wie Dread das Spiel mit dem JengaWackel-Turm ist.


Es ist ein Spiel für Zwei. Einer spielt den plündernden Abenteurer (der hier im Bericht männlich sein soll) und eine spielt Die Tiefe (die ich weiblich darstelle). Der Abenteurer hat einen legendären Rubin in den Gewölben der Tiefe gefunden und seine Aufgabe ist es nun, aus der Dunkelheit nach oben zu gelangen. Die Tiefe hingegen hat zur Aufgabe, die Rückkehr des Abenteurers (und damit seinen Ruhm als Schatzjäger) zu verhindern. Der Abenteurer (scoundrel) kann alles sein: ein gerissener Schurke, ein hünenhafter Barbar oder ein Meister der arkanen Künste. Gleiches gilt für die Tiefe. Sie kann eine versunkene Stadt sein, ein vergessenes Kanalisationssystem oder ein entweihtes Grabmal.

Das Spiel fängt an, indem der Spieler des Abenteurers zwei Dinge macht: Er liest einen Einführungstext vor und wählt zwei Dinge von einer Liste aus. Diese Dinge führt er zum Glück noch bei sich:
Die "Gegenstände" sind sehr unterschiedlich. Ein Seil etwa, oder ein Dolch, eine geheimnisvolle Schriftrolle, den Segen einer Priesterin oder einen Söldner. Derweil denkt Die Tiefe über die Erste Gefahr nach, die der Abenteurer überwinden muss (hält diese aber geheim). Wenn der Abenteurer fertig ist, stellt Die Tiefe den ersten Ort vor (ohne die Gefahr zu benennen), woraufhin die Reise des Abenteurers durch die Dunkelheit beginnt.

Das Erzählrecht hat, wer das angezündete Streichholz in der Hand hält. Und zwar nur so lange, wie es brennt. Gelingt es dem Abenteurer nach zwei Versuchen nicht, das Streichholz zu entzünden oder bricht es beim Versuch sogar ab, widerfährt dem Abenteurer etwas Schlimmes und er kann sogar einen seiner wertvollen Gegenstände verlieren. Andersrum: Gelingt es Der Tiefe nicht, kann der Abenteurer die Gefahr ignorieren bzw. mühelos umgehen und ggf. sogar einen neuen Gegenstand entdecken. Das erfolgreich angezündete Streichholz wird zwischen Abenteurer und Tiefe hin- und hergereicht: Die eine beschreibt die Gefahr, der andere, wie er die Gefahr überwindet. Gelingt es dem Abenteurer, die Gefahr zu überwinden, bevor das Streichholz ausgeht, schafft er es, pustet dann das Streichholz aus und behält den Stummel. Er kann auch einen seiner wertvollen Gegenstände nutzen, um die Gefahr sofort zu überwinden (aber natürlich nur einmal, dann ist der Gegenstand verbraucht). Auch hat der Abenteurer es geschafft, die Gefahr zu überwinden, wenn Die Tiefe das Streichholz hält und mit der Beschreibung nicht fertig wird, bevor es ausgeht. Hält der Abenteurer das Streichholz, wenn die Flamme erlischt, ohne das Überwinden der Gefahr zu Ende beschrieben zu haben, darf die Tiefe zuschlagen und dem Abenteurer das Leben schwer machen. Fairness wird von beiden Spielenden verlangt, aber hey: Es ist ein Erzählspiel, bei dem es nicht ums Gewinnen geht, oder darum, dem*der anderen eins auszuwischen.

Wer immer das benutzte Streichholz erhält (also in der letzten Szene erfolgreich war) erhält die Streichholzschachtel (aber höchstens drei Mal in Folge, dann will das Schicksal, dass die Schachtel ihren Besitzer wechselt). Schafft Die Tiefe es, im Laufe des Spiels fünf Streichhölzer zu sammeln, wird der Abenteurer es nicht schaffen, an die Oberfläche zu gelangen und sein Schicksal ist es, einen einsamen Tod in Der Tiefe zu sterben, vergessen von der Welt. Andersrum: Hat der Abenteurer 10 Streichhölzer gesammelt kehrt er triumphierend aus Der Tiefe zurück. Der Abenteurer kann aber auch einen heroischen Tod beschreiben, indem er alle verbleibenden Hölzer anzündet und einen letzten Kampf bestreitet: Die Tiefe ist besiegt, aber der Abenteurer lässt dabei sein Leben.

Scoundrel in the Deep ist eins dieser Spiele, das sich kaum online spielen lässt. Aber da es nur zwei Spieler*innen erfordert, sollte es keine Schwierigkeit sein, jemanden zu finden, um es mal zwischendurch zu spielen. Die Idee mit den Streichhölzern ist deswegen gut, weil es sich um ein Requisit handelt, das auch innerhalb des Spiels Sinn ergibt: Der Abenteurer braucht das schwache Licht, um an die Oberfläche zu gelangen. Und die kleinen Hölzer brennen nur kurz und brechen leicht ab, insbesondere, wenn unheimliche Laute aus der Dunkelheit dringen und den Abenteurer in Angst und Schrecken versetzen.

Man kann das Spiel erhalten, indem man das Magazin kauft [Worlds Without Master (Vol. 1, Issue 6)] oder es gleich per Pay What You Want erwerben.
Ein Actual Play von Scoundrel in the Deep gibt es beim OneShot-Podcast Folge 175.
Ein weiteres Actual Play von Scoundrel findet sich bei That DnD Podcast.


So, der Bericht der Schatzmeisterin ist zu Ende. Ich wende mich wieder der Arbeit zu und lasse Euch ein paar Streichhölzer entzünden. Aber Vorsicht: Feuergefahr!

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