Die erste Woche des #indieseptember 2019 ist vorüber. Statt ein siebtes Spiel vorzustellen, möchte ich heute lieber ein erstes Resümee ziehen (denn "Am siebten Tage sollst Du ruhen!" ;)). Sechs Spiele für und über Kinder/Teenager habe ich vorgestellt:
- Tag 31: "Kids on Bikes" von Jon Gilmour und Doug Levandowski (2018)
- Tag 32: "Until Dawn" von Wilhelm Person (2012/14)
- Tag 33: "Hero Kids" von Justin Halliday (2013)
- Tag 34: "Libreté" von Vivien Féasson (2017)
- Tag 35: "Girl Underground" von Lauren McManamon und Jesse Ross (2019)
- Tag 36: "Tales from the Loop" von Simon Stålenhag, Nils Hintze und Tomas Härenstam (2017)
Was haben diese Spiele gemeinsam?
Sie alle handeln Kindern oder Teenagern. Manchmal reine Kinder-Gruppen (Libreté; Hero Kids), manchmal reine Teenager-Gruppen (Until Dawn), manchmal gemischte Altersgruppen (Kids on Bikes; Tales from the Loop), manchmal Figuren an der Schwelle (das Mädchen in Girl Underground ist mit 12 Jahren gerade eben noch kein Teenager). Explizit für Kinder ist dabei eigentlich nur Hero Kids. Wobei mein Artikel sowie die Kritik auf Twitter bereits Zweifel anmeldeten, wie gut es wirklich für reine Kindergruppen geeignet ist.
Romantisiert werden die Kinder eigentlich von keinem der Spiele. Sie sind nie einfach nur unschuldige, liebenswerte kleine Menschen. Vielmehr haben alle Spiele ein sehr gutes Gespür dafür, dass Kinder auch Ängste haben, ebenso wie Wut und Zorn und dass sie manchmal auch ungerecht und sogar ein wenig grausam sein können. Allein die Illustrationen in Libreté (die mit dem Kinderkönig) weisen darauf hin, dass mit diesen Rollenspielen auch Geschichten à la Lord of the Flies erzählt werden können. Das ist ein (möglicherweise etwas überraschend) hohes Maß an Realismus.
Bis auf Girl Underground beinhalten die Spiele nur ein überschaubares Maß an fantastischen Elementen. Ein bisschen übernatürlicher Grusel in Kids on Bikes, der in Tales from the Loop sogar durch den Teilchenbeschleuniger einigermaßen "wissenschaftlich" erklärt wird, eine alternative Welt als düstere Version unserer eigenen Welt in Libreté, Unheimliches in Until Dawn... In Girl Underground hingegen kann die Gruppe aus den Vollen der Fantasie schöpfen und eine ganz eigene Welt entwerfen, die bonbonbunt sein kann, aber auch dunklere Farbtupfer zulässt. Aber letztlich geht es auch bei GU um die Rückkehr nach Hause. Es ist die Geschichte einer Abenteuerreise, die unweigerlich in die Realität zurückführt. Fantastischer Realismus scheint bei diesen Spielen ein gemeinsamer Nenner zu sein.
Nostalgie ist zudem ein entscheidender Faktor. Kids on Bikes und Tales from the Loop spielen in den 1980er Jahren, der Zeit also, als viele Rollenspieler*innen selbst Kinder waren. Diese Nostalgie-Welle ist nichts Neues. Serien wie Stranger Things oder die endlos langen Schlangen beim Kartenvorverkauf für die Tour der Drei ???-Sprecher zeigen, dass mit Nostalgie viel Geld zu machen ist.
Zuletzt ist anzumerken, dass diese Spiele allesamt sehr regelleicht sind. Auch wenn sie meistens nichts explizit für Kinder geschrieben sind, sind es oft Regeln, die auch Kinder verstehen könnten. Die Regeln von Until Dawn passen, etwas zusammengedampft, auf eine DIN A4-Seite. Für Kids on Bikes reicht ein 3-4-seitiges Cheat Sheet. Und die PbtA-Spiele Girl Underground und Libreté sind ohnehin nicht sonderlich schwer an Regeln.
Vielleicht ist die Erfolgsformel für diese Spiele also in etwa:
Kinder/Teenager als Hauptfiguren + fantastischer Realismus + Nostalgie + regelleichte Systeme
Weitere Spiele über Kinder/Teenager
Natürlich hatte ich eine ganze Reihe von Spielen auf meiner Liste, die ich letztlich nicht habe vorstellen können (vielleicht beim nächsten Mal). Da waren natürlich solche bekannten Spiele drauf wie Bubblegumshoe. Aber auch eher unbekannte Werke wie The Dreadful Secrets of Candlewick Manor, Meddling Kids, Jinkies, World of Darkness: Innocents (nicht ganz so Indie), Little Fears, Cybergeneration, Home by Dark, Dark Places & Demogorgons oder Teenagers from Outerspace. Einen Teil der Liste verdanke ich, einmal mehr, dem Gauntlet, genauer diesem Tweet zum Thema und den von der Community gegebenen Antworten.
Ganz sicher gibt es aber noch eine Reihe weiterer Spiele, die entweder für Kinder entwickelt wurden oder die Kinder/Teenager als zentrale Figuren haben. Wer weitere kennt: Bitte schreibt die Titel als Hinweise in die Kommentare unten. Ich füge sie dann hier inkl. Verlinkung ein. Danke!
Ganz sicher gibt es aber noch eine Reihe weiterer Spiele, die entweder für Kinder entwickelt wurden oder die Kinder/Teenager als zentrale Figuren haben. Wer weitere kennt: Bitte schreibt die Titel als Hinweise in die Kommentare unten. Ich füge sie dann hier inkl. Verlinkung ein. Danke!
Woche 2 des #indieseptember: Politik
In der nächsten Woche wird es politisch. Da geht es um politische Rollenspiele im engen Sinne (im weiten Sinne sind alle unsere Handlungen politisch). Das werden Spiele sein, die politische Konflikte in den Mittelpunkt stellen. Sei es in Form von Verhandlungsspielen, sei es in Form politischer Romanzen. Es wird auch ein weiteres Interview geben. Und ich freue mich wie immer auf Euer Feedback und die Diskussionen mit Euch (und vor allem die Spielrunden!).
Tatsächlich exklusiv auf deutsch (bisher, da mag sich bald das ändern):
AntwortenLöschen- Drachenreise von Tina Trilitzsch
- Schummelabenteuer in der Kinder- und Unterwegs Variante
Beide im Erzählspiel-Zine.
Interessant, dass du die Spiele als regelleicht für Kinder empfindest. Ich hätte sie alle als ziemlich heavy baggage für Kinder bezeichnet. Wobei ja auch bis auf Hero Kids keines für Kinder gedacht ist. Bzw. sogar eigentlich bloß nicht (in Reinform) mit Kindern gespielt werden sollte, weil es Erwachsenen Sorgen sind, um die es sich dreht.
Ich finde Tales from the Loop und Kids on Bike übrigens stark romantisierend, vor allem von Nerd Kids Culture. Und wie gesagt, bei Hero Kids werden die Kinder nicht ernst genommen meiner Ansicht nach. Bei Tales from the Loop, das ich ein paar Sessions gespielt habe, würde ich auch sagen, dass es reine Erwachsenen Projektionen sind, die im Zentrum stehen. Bei Libreté und Girl Underground stehen hingegen immerhin reale Abgründe, die einen seit Kindheit ständig begleiten, vorne an. Das macht sie zu den Spielen aus der Reihe, die sich am authentischsten anfühlen, für mich.
Ja, da stimme ich Dir zu, Gerrit. Mein Eindruck von Hero Kids war auch eher gemischt. Nicht nur wegen des reinen "encounterism", sondern auch, weil abgesehen von den niedlichen Illustrationen die Kinder hier nur bedingt ernst genommen werden.
AntwortenLöschenDie anderen Spiele sind ganz klar keine Kinderspiele und "regelleicht" bezieht sich hier auf den Vergleich zu crunchigeren Systemen wie DnD oder DSA4.1.
Das Romantisieren ist ein interessanter Punkt. Das ist wohl schlicht eine Nebenwirkung der Nostalgieschiene, auf der das Ganze fährt. Findest Du es denn störend? Ich hatte damit kein Problem in den Testrunden. KoB habe ich auch mit einigen Monsterhearts-Fans gespielt und fand, dass in unserem TwoShot auch solche Elemente aufblitzten. Das kann man nach Belieben ausbauen.
Romantisierend: das finde ich nicht unbedingt störend. Wer das Genre mag (Kids on Bikes), bekommt, was er*sie sich erhofft.
LöschenIch wunderte mich nur, dass du fandest, dass alle diese Spiele nicht romantisierend seien. Gerade beim Kids on Bike Genre sind die Figuren ja oft Wunschvorstellungen von uns Erwachsenen an wie unsere Kindheit hätte gewesen sein können. Sich gut langweilen etwa, ein wie ich glaube, ganz wichtiger Teil von Kindheit, kommt in den Geschichten nicht vor. Es ist keine echte Kindheit, die wir spielen. Sondern eine Power-Fantasie von uns projiziert in Erinnerungen an Kindheit.
Lauter gute Gedanken! Ich frage anders: Gibt es denn ein Spiel, das für Dich auf realistische (nicht-romantisierende) Weise Alltag abbilden kann? Ein fantastisches, romantisches oder abenteuerliches Element haben wahrscheinlich die meisten Spiele.
LöschenIch glaube, das romantisierende Moment ist schlicht von den Filmen und Fernsehserien in diese Rollenspiele hineingeraten, die ja offenkundig als Vorlage gedient haben.