Donnerstag, 16. Juni 2011

Musik im Rollenspiel. 1: Die richtige Auswahl der Musik

Musik kann das Rollenspiel fördern. Eine dramatische Schlacht reißt die Spieler am Tisch möglicherweise noch mehr mit, wenn parallel dazu aus den Lautsprecherboxen aufrührende Musik ertönt; eine Liebesszene lässt sich leichter ausspielen, wenn eine Violine dazu eine romantische Melodie spielt; ein Dungeon zu erkunden kann noch unheimlicher wirken, wenn ein ganzes Streichorchester nervöse Tremoli spielt…

Dennoch wird Musik im Rollenspiel, so die eigene Erfahrung, viel zu selten systematisch eingesetzt. Das hat vor allem einen Grund: Es ist sehr schwierig für einen Meister, Musik gezielt zur Stimmungserzeugung einzusetzen. Es ist mit großem Vorbereitungsaufwand verbunden (Musik auswählen, zusammenstellen und auf die einzelnen Szenen abstimmen); es erfordert einiges an technischem Aufwand (man will schließlich nicht alle zwei Minuten zum CD-Player laufen und neue CDs einlegen… nichts tötet die Stimmung mehr als solche technischen Unterbrechungen); ferner will man, dass die Musik die Emotionen am Spieltisch verstärkt und nicht verhindert – mag einer der Spieler eine ganz bestimmte Musik überhaupt nicht, dann lässt er sich von ihr nicht nur nicht mitreißen, er wird sich sogar von ihr ordentlich rausreißen lassen...

Was muss man also beachten, wenn man Musik am Rollenspieltisch gekonnt einsetzen möchte? Wir haben zwei Sektionen herausgearbeitet, in denen Vorbereitung nötig ist, damit Musik das Erlebnis Rollenspiel zusätzlich intensiviert:

  1. Die richtige Auswahl der Musik
  2. Der richtige Einsatz von Musik

In diesem Artikel starten wir mit dem ersten Teil, der richtigen Auswahl von Musik. Im Folgeartikel geht es dann um den Einsatz der Musik am Tisch.



3 Goldene Regeln der Rollenspielmusikauswahl


Bei der Auswahl der Musik gibt es drei goldene Regeln:
  1. Keine Musik mit Text!
  2. Keine zu bekannte Musik!
  3. Keine Musik, bei der man weiß, dass die Spieler sie partout nicht mögen!

Der zentrale Begriff, um den sich der Einsatz von Musik im Rollenspiel dreht, lautet: Immersion. Immersion heißt letztlich nichts anderes als völliges Eintauchen in eine Welt. Der Film erzeugt durch seine Techniken wie Schnitt, Musik, Beleuchtung uvm ständig immersive Effekte (Schock, Trauer, Spannung, Suspense, Lachen etc.).

Ein Rollenspielabend ist dann gelungen, wenn alle Spieler „wirklich in die Welt eingetaucht sind“, wenn sie (völlig positiv gemeint) für kurze Zeit „die Realität um sie herum vergessen haben“. Musik kann die Immersion fördern bzw. verstärken. Setzt man sie allerdings falsch oder schlecht ein, dann bewirkt sie das genaue Gegenteil: Sie verhindert die Illusion eines lebendigen Aventuriens, die Spieler werden nicht Alrik, Thorgrimm und Praiodan werden, sondern bleiben sie selbst: Peter, Paul und Marie…

I. KEINE MUSIK MIT TEXT
Dieser Punkt klingt eigentlich banal. Dennoch hat der Autor dieser Zeilen schon viele Rollenspielabende gehört, bei denen vermeintlich stimmungsvolle Opernarien, Metal-Songs oder House-Vocals jegliche Konzentration auf das Geschehen zerstört haben.

Warum ist das so? Ganz einfach: Wir können immer nur einem Text gleichzeitig zuhören. Und das sollte beim Rollenspiel im Idealfall der Text des Meisters/Spielleiters bzw. der Spielerinnen und Spieler sein. Der Text aus den Lautsprechern lenkt davon ab. Gerade wenn ein Spieler eine Spielpause hat (etwa weil sein Held gerade nicht im Zentrum der Ereignisse steht), neigt ein solcher Spieler dazu, sich vielmehr darauf zu konzentrieren, was der Sänger gerade von sich gibt, als darauf, was die Rollenspiel-Kollegen von sich geben.

Der häufig zu hörende Einwand, man könne Musik mit Texten nehmen, deren Sprache keinem der Spieler geläufig ist (mittelalterliche Gesänge auf Lateinisch sind hier ein beliebtes Beispiel), greift nicht: denn im schlimmsten Fall versuchen die Spieler (unbewusst oder bewusst) einzelne Sinnfetzen aus den fremdartigen Texten herauszuhören; gelingt ihnen das sogar („Ah, ich hab das lateinische Wort „dominus“ identifizieren können!“), können Sie als Meister sicher sein, dass Ihre Spieler fortan versuchen werden, weitere Worte herauszuhören, die ihnen bekannt sind…

Vermeiden Sie also unbedingt Musik mit Text. D.h.: Keine Songs, keine Arien, keine Kantaten, keine Chorgesänge etc.

II. KEINE ZU BEKANNTE MUSIK
Zugegeben, der Soundtrack zu „Lord of the Rings“ eignet sich prinzipiell ganz hervorragend zur Untermalung eines Rollenspielabends. Allerdings gibt es dabei ein kleines Problem: Jeder am Spieltisch kennt den Film!

Warum ist das problematisch? Ganz einfach: Die Spieler assoziieren mit der Musik ganz bestimmte Szenen aus dem Film. Das ist nicht gut. Schließlich wollen Sie beim Auftreten von Rohal dem Weisen nicht, dass ihre Spieler in Rohal eine billige Gandalf-Kopie sehen. Rohal ist einzigartig, deswegen hat er auch eine einzigartige Darstellung verdient. Die kann unmöglich mit einer Musik versehen werden, die allgemein bekannt ist und bereits mit festen Bildern assoziiert wird.

Verzichten Sie daher also unbedingt auf zu bekannte Musik. Im Zweifelsfall fragen Sie Ihre Spieler, ob sie diesen oder jenen Film schon gesehen haben. Stellt sich heraus, dass niemand am Spieltisch Conan der Barbar kennt, dann lässt sich auch der bekannte Soundtrack von Conan-der-Barbar einsetzen; andernfalls müssen Sie drauf verzichten, selbst dann, wenn Sie der Meinung sind, dass der Soundtrack von Conan perfekt zu ihren Abenteuern bei den Gjalskerländern passt.

Sollte übrigens der erwiesenermaßen seltene Fall eintreten, dass Sie einen promovierten Musikwissenschaftler am Tisch sitzen haben, der ohnehin jede Musik kennt, die jemals auf diesem Planeten komponiert wurde… dann können Sie aus naheliegenden Gründen diesen zweiten Tipp ignorieren…

III. UNERWÜNSCHTE MUSIK
Sie haben die Punkte 1 und 2 befolgt; Sie haben eine nicht zu bekannte Instrumentalmusik ausgesucht und wollen diese nun einsetzen. Sagen wir, Sie haben eine klassische Symphonie von Gustav Mahler, sagen wir Mahlers 9. Symphonie, herausgesucht. Wie es der Zufall will ist einer Ihrer Spieler ein erklärter Gegner von Gustav Mahler. Er findet Mahler kitschig und aufgeblasen. Er kennt Mahler gut, mag ihn aber nicht. Mehr sogar: Er hat eine richtige Antipathie gegen Mahler, da er den französischen Impressionismus in der Musik vergöttert (was unvereinbar mit Mahlers strenger Symphonik ist)...

Was nun? Die Antwort ist ganz einfach: Verzichten Sie (schweren Herzens) auf die Musik Ihrer Wahl, in diesem Fall: verzichten Sie auf Ihren Mahler. Denn Sie wissen, dass der betreffende Spieler permanent gegen seine inneren Widerstände bzgl. der Musik ankämpfen muss… wie soll er da noch gegen Orks, Dämonen und Verbrecher kämpfen?

Gleiches gilt für bestimmte Genres. Instrumentale Heavy-Metal-Musik mag zwar für ein Abenteuer bei den Orks passen; haben Sie jedoch einen leidenschaftlichen Heavy Metal-Gegner am Tisch, nehmen Sie Rücksicht auf ihn und verzichten Sie auf die entsprechende Musik.
Die Erfahrung zeigt, dass die Einstellung der meisten Rollenspieler zu klassischer Musik eher „neutral“ ist, während große Teile der Unterhaltungsmusik-Genres emotional besetzt sind: Entweder man mag Heavy Metal oder man mag es nicht, entweder man mag Elektro oder eben nicht, entweder man mag Pop oder nicht…
Gerade für jüngere Spieler bedeutet die Wahl eines präferierten Musikstils immer auch ein Statement über die eigene Person (was man nicht selten an der Art erkennt, wie über diese Fans geredet wird; man sagt nicht „Peter hört gerne Heavy Metal“ sondern eher „Peter ist ein Heavy Metal’er.“)

IV. KONKRETE BEISPIELE FÜR GUTE MUSIK BEIM ROLLENSPIEL

Eine vollständige Liste kann hier unmöglich gegeben werden. Grundsätzlich sind die Anmerkungen am Ende der meisten Regionalbände zu empfehlen, die „Empfehlungen zur Vertiefung des regionalen Flairs“. Im Band R5: Land der Ersten Sonne z.B. findet sich am Ende (S. 189) eine umfangreiche Liste „Musikvorschläge für die Untermalung des Spiels in den Tulamidenlanden“.

Dort finden sich dann Musikempfehlungen wie „Sufi-Musik“ oder „Ghazal“ (hier hilft Google weiter, man kommt schnell auf die entsprechenden CDs) oder Musik wie „Kronos Quartett: Caravan“, „Mozarts Entführung aus dem Serail“ oder „Maurice Jarres Musik zu Lawrence von Arabien“.

Allerdings finden sich in der Liste auch einige Stücke und Titel, die ein wenig gegen die hier angeführte zweite Regel verstoßen: John Williams Indiana Jones-Soundtrack dürfte viel zu bekannt sein, ebenfalls Hans Zimmers Soundtrack zu Gladiator

Stücke können also ein gewisses regionales Flair einfangen, dabei helfen die genannten Listen in den Regionalbänden i.d.R. recht gut. An dieser Stelle sei daher an die große Liste auf Wiki Aventurica hingewiesen.

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