Kunstwerk und Künstler*in voneinander trennen: Diese Aufforderung wird oft missverstanden, insbesondere, wenn man damit einen unkritischen Genuss von Werken rechtfertigen möchte, deren Künstler*innen sich durch massives soziales Fehlverhalten hervorgetan haben.
Zunächst mal: Wo kommt die Trennung
überhaupt her? Aus der Literaturwissenschaft des frühen 20. Jahrhunderts. In
Russland durch den sog. “Russischen Formalismus”, in den USA durch den sog. “New Criticism” und im dt.-sprachigen Raum (mit einer gewissen Verspätung) durch die sog. “werkimmanente Interpretation”. Dass sich in drei Bereichen der Welt diese
Trennung unabhängig voneinander vollzog, zeigt, dass es den Beteiligten darum
ging, gegen eine dominante Art der Kunstinterpretation anzuschreiben: den sog.
Biografismus.
Werkimmanenz vs. Biografismus
Dem Biografismus zufolge konnte man Kunstwerke nur verstehen, wenn man deren Künstler*innen “verstanden” hatte, also durch penible Kenntnis der jeweiligen Biografie. Warum empfanden das die o.g. Gruppen als problematisch? Ich nenne vier zentrale Gründe: