Mittwoch, 18. September 2019

#indieseptember Tag 45: "Trophy" von Jesse Ross (2018)

Ich hatte schon vor zwei Wochen ein Spiel von Jesse Ross (zusammen mit Lauren McManamon) vorgestellt, Girl Underground, sowie gestern Jesses Bearbeitung von John Harpers Lady Blackbird (gemeinsam mit Rich Rogers). Wer Jesse auf Twitter folgt (@jesseross), weiß, dass er gerade an Trophy arbeitet, seinem play-to-lose-Spiel über psychologischen Horror. Wie Girl Underground auch, ist Trophy ein Forged in the Gauntlet-Spiel, ein Spiel also, das im Umkreis der Gauntlet Gaming Community entwickelt, gespieltestet und veröffentlicht worden ist. Schon jetzt ist die Liste dieser Spiele beeindruckend (dazu: dieser Blogpost von Gauntlet-Gründer Jason Cordova; @jasoncordova6). Mechanisch ist Trophy von Cthulhu Dark inspiriert; das Setting nimmt Inspiration von Symbaroum. Die ursprüngliche Version des Spiels hieß Dark Davokar und trug den Untertitel "Cthulhu Dark in the Wilds of Symbaroum". Erschienen ist Trophy im Dezember 2018 im Gauntlet Zine Codex, dessen Thema passenderweise lautete: Dark. Ich konnte Trophy bei Jason spielen und es auch selber auf der Drachenzwinge auf Deutsch leiten. 

Trophy: Regeln

Eine Gruppe Abenteurer zieht in einen Wald, um dort einen Schatz zu erbeuten (die titelgebende Trophäe). Der Wald jedoch duldet die Abenteurer nicht. Je tiefer sie eindringen, desto mehr vernebelt der Wald ihnen die Sinne. Die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende noch Abenteurer leben ist nicht sonderlich hoch... 

Auf ihrem Weg durch den Wald gibt es nur wenige Regeln zu beachten. Wann immer ein*e Abenteurer*in eine gefährliche Aktion durchführen möchte, erstellt sie*er sich einen Würfelpool aus hellen und dunklen W6. Ich habe dazu ein Flowchart erstellt, das auf den ersten Blick kompliziert aussieht, aber im Grunde recht einfach zu verstehen ist:

Flowchart zum Würfelpool-Erstellen bei Trophy (Quelle: @PhexBasar)
Wir fangen in der linken oberen Ecke an. Ist die Aktion nicht riskant, gelingt sie einfach so (grüne Box: "Du schaffst es." Ist sie riskant, muss ein "Wurf auf Gefahr" (risk roll) getätigt werden. Dazu erstellt man einen Würfelpool mit max. 3W6: 

Erster Würfel: Gibt es in der Laufbahn oder Vorgeschichte des Charakters etwas für die Aktion Nützliches: füge dem Pool einen hellen W6 hinzu. 

Zweiter WürfelDie SL und die anderen Spieler*innen können gemeinsam überlegen, was ein guter Teufelspakt für die Szene sein könnte (devil's bargain). Die Abenteurer*innen, so heißt es in den Regeln, gehen Risiken ein auf Grund ihres leichtsinnigen Stolzes. Damit bringen sie sich selbst und ihre Gefährt*innen leicht in Gefahr. Beispiele für Teufelspakte sind etwa: Jemandem unbeabsichtigt Schaden zuzufügen, von den Gefährt*innen getrennt zu werden, einen wertvollen Besitz zurücklassen zu müssen, die Aufmerksamkeit von Kreaturen auf sich zu lenken usw. Wird der Teufelspakt akzeptiert (er kann natürlich auch abgelehnt werden), erhält man einen weiteren hellen (!) Würfel (das ist zunächst ein wenig kontraintuitiv, einen hellen Würfel für einen dunklen Pakt zu erhalten). Das negative Ereignis des Paktes tritt auf jeden Fall ein, ganz gleich wie das Würfelresultat ausfällt. 

Dritter Würfel: Wenn man bereit ist, seine geistige und körperliche Gesundheit zu riskieren, dann kann man einen dritten, dieses Mal dunklen, W6 zum Pool hinzufügen. Man hat damit einen Pool mit max. 3W6. Ist beim Würfelresultat die Zahl auf dem dunklen Würfel ≥ der Resultate auf dem/den hellen Würfel(n), löst man damit einen Wurf auf Verfall (ruin roll) aus (dazu gleich mehr). Man kann den dritten Würfel jedoch auch nach dem Wurf mit zwei weißen "nachwürfeln", den Charakter also erst dann an den Rand seiner Kräfte treiben, wenn klar ist, dass er es mit normalem Einsatz nicht schaffen wird.

Der Wurf auf Gefahr gelingt bei einer 6 komplikationslos. Bei einer 4-5 gelingt die Aktion, jedoch mit einem Haken (wie man es aus Fate oder PbtA gewohnt ist). Bei einer 1-3 misslingt der Wurf. 

Der Wurf auf Verfall (ruin roll) ist eine Probe auf den Verfallswert (ruin) der Charaktere. Dieser Wert steigt im Laufe des Spiels (z.B. wenn man etwas sehr Verstörendes sieht) und gibt an, wie weit die Charaktere dem Wahnsinn anheimfallen. Er startet bei 1. Erreicht er 5 kann man ihn nur senken, wenn man im Auftrag des Waldes die anderen Abenteurer*innen sabotiert (siehe die zwei letzten Zeilen im Flowchart). Erreicht er 6 bedeutet das das unumkehrbare Ende des Charakters (Flowchart links unten: "Das ist Dein Ende"). Erzielt man beim Wurf auf Verfall ein Ergebnis > aktueller Verfallswert (ruin), steigt er um 1 und der Wald beginnt, den Charakter zu verformen (geistig oder gar körperlich).

Der Wurf auf Minderung (reduction roll) ist die einzige Möglichkeit, Verfall abzubauen. Er kann aber erst einsetzen, wenn der Verfall auf 5 gestiegen ist. Dann kann man für den Wald etwas tun, was die Gefährt*innen hindert oder schädigt. Mit einem W6 muss daraufhin der aktuelle Verfallswert unterboten werden, um den Verfall um 1 senken zu dürfen. Da man bei Verfall 6 aus dem Spiel ausscheidet, wird ein 5er-Wert zu einem PvP führen und zu gegenseitigem Misstrauen am Tisch... 

Die letzte Regel: Rituale. Alle Charaktere können alle verfügbaren Rituale lernen, starten aber für jedes ihnen bekannte Ritual mit +1 auf Verfall ins Spiel! Die Rituale sind sehr mächtig, weil sie sehr offen formuliert sind. Z.B. gibt es das Ritual "Bind (hold a person or animal in place)", "Project (observe a remote location in spirit form)" oder "Summon (draw a known spirit or person to you)". Das ist sehr nützlich, da es kein Kampfsystem gibt und in Trophy Kämpfe ("hand-to-hand combat") immer mit dem Tod enden! Aber Rituale haben immer einen dunklen Würfel im Pool, sind also ebenso riskant wie mächtig.

Trophy: Incursions

Die sog. "Incursions" (etwa: das Eindringen, das unerlaubte Betreten) sind Module für Trophy. Die Veröffentlichung des Grundregelwerks beinhaltete bereits ein erstes solches Modul: "Tomb of 10,000 Dreams". Jede Incursion hat ein zentrales Thema. Im genannten Modul ist es Schlaf. In fünf "Ringen" (die auf die Baumringe anspielen) nähert sich die Gruppe dem Zentrum, wo die Trophäe zu erringen ist. Jeder Ring lässt die Erfahrung des Schlafes intensiver und unangenehmer werden. Leichte Müdigkeit in den äußeren Ringen wird zunehmend zur Frage, ob man überhaupt wacht oder schläft, zu schlimmen Albträumen usw. 

Je eine weitere Incursion ist seit Dezember in jeder Ausgabe von Codex erschienen. Eine vollständige Liste gibt es hier.

Auch läuft aktuell noch ein Schreibwettbewerb für Trophy Incursions (Deadline: 6. Oktober 2019). Wer ihn gewinnt, darf eine Trophäe sein Eigen nennen... aber Ihr wisst ja, wie das mit dem Gewinnen von Trophäen so ist... Sagt nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt!

Weiterführende Links und APs

Es gibt einen sehr guten Blogbeitrag von Jason mit neun Tipps, wie Trophy zu leiten ist. Ich stimme allen Regeln zu, mit Ausnahme der fünften ("Hard frame like a motherfucker"). Ich glaube, das Trophy ruhig atmen kann und die Spieler*innen mehr Gelegenheit bekommen sollten, den schleichenden Verfall zu rollenspielen. Zwar hat Jason recht, dass die Bewegung (tiefer in den Wald) klar sein sollte, so dass eine "Was macht Ihr als nächstes?"-Frage unsinnig ist. Aber die Verlorenheit im Wald kann durchaus auch den Weg von Ring zu Ring prägen und von den Spieler*innen mit Genuss und Gewinn ausgespielt werden. In der von mir geleiteten Runde sind wir zwar nur bis Ring 3 gekommen, aber ich glaube nicht, dass das Spiel darum eine weniger intensive Erfahrung war. Das scheint mir eher Geschmackssache zu sein. 

Man kann Jesse auf Twitter folgen (@jesseross), ebenso Jason (@jasoncordova6) und dem offiziellen Trophy-Account (@trophyrpg). Auf trophyrpg.com kann man sich für den Newsletter anmelden, um immer auf dem Laufenden zu sein. Im Gauntlet-Forum wird viel und interessant über Trophy diskutiert.

Trophy wird in Kürze einen Kickstarter bekommen. Eingearbeitet wird darin auch der user generated content aus dem Gauntlet-Forum sein, wie etwa zu Ajino the Debauched Painter, dem Rose District of Ambaret, dem Barsul Prison oder Fort Duhrin.

Es gibt auch eine Weiterentwicklung von Trophy, Trophy Gold. Diese ist aber einen eigenen Artikel wert. 

Actual Plays gibt es bereits sehr viele und seit letzter Woche auch einen eigenen AP-Podcast für Trophy.




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